Talking Heads vs. Kopftrophäe
So ist also aufgekommen (durch investigativen Journalismus?), dass in die neu aufgestellte Schausammlung des Weltmuseums Wien eine menschliche Kopftrophäe eingebaut wurde.
Die Munduruku (Brasilien) haben offenbar nichts gegen die Zurschau-Stellung dieses Exponats - ein Ergebnis früher üblicher Kopfjagd -, und die Ursprungscommunity konnte nicht ermittelt werden.
Das ganze Museum ist voll von talking heads, es sind so viele, dass manchmal schon ein talking body, talking hands oder feet eine tolle Abwechslung wären. Warum die Kopftrophäe, noch dazu ohne Warnhinweis o.ä., da auch noch im Original hängen muss, erklärt sich nicht. Wenn’s schon sein muss, um den Kontext der Lebensweise der Munduruku darzustellen, wäre u. U. eine Pappmaché-Nachbildung, ein Foto, eine 3D-Installation, …, auch dienlich. Der Original-Kopf mit Nagetierzähnen usw. könnte beerdigt werden, und im Museum wäre ein human remain weniger.
Vor ca. 2 Jahren wurden human remains feierlich an eine source community retourniert, damit dachte ich eigentlich, das Thema wäre abgearbeitet. Nun wird mit ICOM-Ethik argumentiert, Kuratorin und Noch-Direktor reiten selbstbewusst in die Zirkel, kein Eingriff in die Vitrine, aus, basta.
Abgeschlagene Köpfe sind nun aber keine Vergangenheit, wie uns ja auch aktuelle Medienberichte über die IS erzählen. Der Grabungsleiter in Palmyra wurde geköpft, viele andere auch, vor laufender Kamera und weltweit ausgestrahlt. Zur Abschreckung, oder in Reminiszenz der Französischen Revolution, wo aufgespiesste Köpfe herumgetragen wurden und auch Marie Antoinette an das Kommende erinnerten …
Auf solche Zusammenhänge wird allerdings nicht verwiesen, auch die Querschnittsmaterie von Krieg, Waffen, Trophäen, Friedensstiftung und -erhaltung wird im Museum nicht verfolgt.
Die Unauffälligkeit und Belanglosigkeit, mit der der Kopf platziert wurde, verwundert, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit lange nach der feierlichen Eröffnung ebenso. Da es keine schlechte Publicity gibt, fragt man sich: wird hier etwa auf Quote geschielt, auf das leichte Gruseln, auf Angstlust und Filmgeschichte, oder gar auf - Körperwelten, den ewigen abstossenden block buster?
Talkings heads gegen Display der Kopftrophäe!
Illustration: Onur Serdar
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